MacAlister, Katie - Silver Dragons 03 - Drachen lieben heisser.rtf

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Cover

 


Titelei

 

KATIE MACALISTER

Silver Dragons

Drachen lieben heißer


Buchinhalt

 

May Northcott steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten. Ihr Boss, der ehemalige Dämonenfürst Magoth, hängt seit seinem Rauswurf aus Abaddon ständig bei ihr herum. Zwar hat er seine magischen Fähigkeiten fast vollständig eingebüßt, aber um allen das Leben schwer zu machen, braucht er wahrhaftig keine Magie. Und so ist es nicht gerade leicht für May, ungestörte Momente mit ihrem Geliebten, dem Werdrachen Gabriel, zu verbringen. Zudem trägt sie noch immer ein Fragment des Drachenherzens in sich, das sie unablässig mit seiner Macht zu überwältigen droht. Um sie davon zu befreien, braucht Gabriel die anderen Teile des Herzens und die Unterstützung der Drachensippen, was sich als kniffliger erweist als erwartet. Als May dann auch noch einen halbtoten Mann auf ihrer Türschwelle findet, wird endgültig klar, dass dunkle Wolken am Horizont heraufziehen. Der grausame Werdrache Baltic, den alle für tot hielten, ist offenbar wieder aufgetaucht. Er sinnt auf Rache und denkt nicht im Traum daran, May das noch fehlende Stück des Drachenherzens zu überlassen. Ein Krieg unter den Drachen scheint unabwendbar...


Autorin

 

Katie MacAlister begann ihre Karriere als Schriftstellerin mit einem Sachbuch über Software. Da sie darin jedoch weder witzige Dialoge noch romantische Szenen unterbringen durfte, beschloss sie, von nun an nur noch Liebesromane zu schreiben. Seither sind über 24 Romane aus ihrer Feder erschienen, die regelmäßig die amerikanischen Bestsellerlisten stürmen.

 

Die Romane von Katie MacAlister bei LYX:

Silver Dragons
01 Silver Dragons - Ein brandheisses Date
02 Silver Dragons - Viel Rauch um Nichts
03 Silver Dragons - Drachen lieben heisser

Aisling-Grey-Serie
01 Dragon Love. Feuer und Flamme für diesen Mann
02 Dragon Love. Manche lieben's heiß
03 Dragon Love. Rendezvous am Höllentor
04 Dragon Love. Höllische Hochzeitsglocken

Vampir-Serie
01 Blind Date mit einem Vampir
02 Küsst du noch oder beißt du schon?
03 Kein Vampir für eine Nacht
04 Vampir im Schottenrock
05 Vampire sind zum Küssen da
06 Ein Vampir kommt selten allein
07 Vampire lieben gefährlich
08 Ein Vampir in schlechter Gesellschaft (erscheint Januar 2012)

Weitere Romane von Katie MacAlister sind bei LYX in Vorbereitung.


Buchtitel

 


Impressum

 

Die Originalausgabe erschien 2009
unter dem Titel »Me and My Shadow«
bei NAL Signet, Penguin Group (USA) Inc, KM.
Deutschsprachige Erstausgabe Dezember 2011
bei LYX, verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH,
Gertrudenstraße 30-36, 50667 Köln
Copyright © 2009 by Katie MacAlister
This edition published by arrangement with NAL Signet,
a division of Penguin Group (USA) Inc.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011
bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Alle Rechte vorbehalten.
1. Auflage
Redaktion: Birgit Sarrafian
Satz: Greiner & Reichel, Köln
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-8025-8392-6
www.egmont-lyx.de


Danksagung

 

 

Für meinen Freund Brian Murphy,
weil er mich zum Lachen bringt,
mich gnadenlos neckt und mich schimpfen lässt,
ohne auch nur ein einziges Mal zu sagen:
Das hast du dir selbst eingebrockt, Schätzchen!

 



1

 

»Kopf ab!«

Ich blickte von meinem Laptop auf. Mitten im Wohnzimmer stand ein Mann und zeigte mit dramatischer Geste auf eine Frau an der Tür.

»Ich verlange, dass du diesen ... diesen ... Drachen wegen Ungehorsam bestrafst!«

»Ja, ja, wer es glaubt ...«, murmelte eine Stimme vom Fußboden.

Magoth betrachtete den Hund, der auf einem sonnenbeschienenen Fleck lag und sich durch einen Stapel pornographischer Comics las, mit zusammengekniffenen Augen. »Ich habe dir keine Erlaubnis gegeben, in meiner Gegenwart zu sprechen, Dämon.«

»Große Neuigkeit - du bist gar kein Fürst mehr, deshalb kann ich sagen, was ich will. Stimmt's, May?«

Ich wollte gerade nicken, besann mich aber dann eines Besseren. Ich hatte zwar nicht viel Erfahrung mit Jim, dem Dämon in Hundegestalt, aber doch genügend, um ihm nicht gleich seinen Willen zu lassen. »Nein, du kannst sagen, was Aisling dir zu sagen erlaubt hat, als sie dich zu uns geschickt hat. Und wenn ich mich recht erinnere, hat sie dich angewiesen, dass du zu niemandem frech sein sollst.«

Jim, der seinen tatsächlichen Namen Effrijim viel zu mädchenhaft fand, grinste, was nicht einfach war, wenn man bedachte, dass er die Gestalt eines zottigen schwarzen Neufundländers hatte. »Sie hat gesagt, wenn ich dich verärgere, würde sie mich nach Akasha schicken, bis das Baby volljährig ist. Aber jeder weiß ja, dass Doppelgänger nicht so leicht zu verärgern sind, deshalb ist alles in Ordnung.«

»Wären wir jetzt in Abaddon«, knurrte Magoth, »würdest du auf dem Bauch angekrochen kommen und mich um Gnade anwinseln. Es wäre eine nutzlose Geste - trotzdem würde ich dir erlauben, mich weiter um Vernichtung anzuflehen und dich schreiend vor Schmerzen zu winden, bis ich schließlich deiner endlosen Qual überdrüssig wäre.«

»Ja, ja.« Jim wandte sich wieder seinem Comic zu. »Das habe ich alles schon mal gehört.«

Magoth blies sich auf, bis ich dachte, er würde platzen. Ich überlegte, ob die Rechnung für die Reinigung wohl den Unterhaltungswert aufwiegen würde, entschied mich jedoch dagegen. »Was gibt es, Maata?«, fragte ich die Frau, die an der Tür stand und uns amüsiert beobachtete.

»Magoth ...«

»Für dich immer noch Prinz von Abaddon Magoth, Drache!«, erklärte der Mann. »Oder Lord Magoth. Oder meinetwegen auch Seine Unheilige Hoheit Magoth.«

»Magoth«, wiederholte Maata, »hat schon wieder versucht, in den Keller einzudringen.«

Ich zog eine Augenbraue hoch und musterte den Dämonenlord im Exil, früheren Stummfilmstar und Träger eines (buchstäblich) verfluchten Penis, der in ohnmächtiger Wut im Raum herumrannte. Über die Jahrhunderte waren unzählige Frauen auf seine Attraktivität hereingefallen, deshalb hatte Magoth keinen Grund, eine andere Gestalt anzunehmen. Allerdings hätte er es auch jetzt gar nicht mehr gekonnt, selbst wenn er gewollt hätte.

»Siehst du, wie ich behandelt werde? Das ist unerträglich, Gemahlin! Ich bestehe darauf, dass du diesem Lakaien eine Lektion erteilst! Ich lasse mir doch von einer Sklavin nicht sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe. Sie hat mir Gewalt angedroht! Mir! Sie verdient eine ausführliche, einfallsreiche Bestrafung, weil sie es gewagt hat, mich so zu behandeln!«

»Es war meine Schuld. Ich war gerade auf der Toilette, und er hat die Gelegenheit genutzt, um an den Eingang zum Tresorraum zu gelangen«, sagte Maata entschuldigend. »Es wird nicht wieder vorkommen.«

»Es war der reine Zufall, dass ich genau in dem Moment im Keller war, als die Sklavin das Zimmer verlassen hatte.« Magoth schniefte. Ich kaufte ihm seine vorgetäuschte Selbstgerechtigkeit nicht einen Moment lang ab.

»Du bist an mir vorbeigeschlichen, als ich im Badezimmer war«, beschuldigte Maata ihn.

»Ich bin ein Dämonenlord! Ich schleiche nicht!«, erwiderte er empört.

»Erstens«, sagte ich und zählte die Punkte an meinen Fingern ab, »bist du kein Dämonenlord mehr. Zumindest in technischer Hinsicht nicht. Zweitens ist Maata eine von Gabriels Elitewachen, keine Sklavin, und du wirst sie mit dem gebührenden Respekt behandeln. Und drittens bin ich nicht deine Gemahlin, also hör auf, mich so zu nennen.«

»Du bist meine Gemahlin«, beharrte er und kniff die Augen zusammen.

»Du hast dich von mir gelöst, als du festgestellt hast, dass man dich aus Abaddon herausgeworfen hat, weißt du noch?«

»Das geschah in der Hitze des Augenblicks. Du weißt sehr wohl, dass ich nicht die Scheidung eingeleitet habe. Bis es mir gefällt, dich aus dieser Stellung zu entlassen« - er lächelte und ich dankte meinem Schicksal, dass wir nicht in Abaddon waren, sonst hätte ich ein bisschen von meiner Seele verloren -, »oder bis du stirbst, bleibst du meine Gemahlin.«

»Danke für die Belehrung.« Wie immer, wenn ich bedroht wurde oder eine starke Emotion empfand, regte sich das Stück Drachenherz, das ich in mir trug. Es zu beherrschen, hatte mich viel Mühe gekostet. Ich lächelte Gabriels Bodyguard an. »Danke, Maata. Ich kümmere mich schon darum.«

»Besser du als ich«, murmelte sie und lächelte schief.

»Soll ich ihn mir ein bisschen vorknöpfen?«, fragte Jim. Er erhob sich und trottete langsam auf Magoth zu. »Ich würde ihm ja direkt an die Nüsse gehen, aber dieser Fluch macht mir ein bisschen Angst.«

»Versuch es nur«, sagte Magoth. Seine Augen glitzerten in einem unheiligen Licht.

Jim blieb stehen und warf mir einen besorgten Blick zu. »Du hast doch gesagt, er hätte hier keine Macht, oder?«

»Fünfundneunzig Prozent seiner Macht stehen ihm nicht zur Verfügung, genau«, erwiderte ich.

Jim erstarrte. »Oh Mann! Ich habe gedacht, all seine Macht wäre flöten gegangen!«

»Das ist ja auch so. Naja, alle Macht abgesehen von fünf Prozent.«

»Fünf Prozent? Ach, du liebe Güte, May! Wir müssen uns dringend mal unterhalten über den Unterschied zwischen einem Dämonenfürsten ohne jede Macht und einem mit genügend Macht, um einen sechstklassigen Dämon zu zerquetschen.«

Magoth lächelte wieder. Eine dünne schwarze Machtranke griff nach Jim. Der Dämon jaulte auf und wich zur Tür zurück. »Feuer von Abaddon, verstehst du keinen Spaß? Ich habe doch nur Spaß gemacht, Eure dunkle kaiserliche Majestät. Äh ... Ich glaube, jetzt kommt Hart, aber herzlich. Ihr wisst ja, wie gerne ich Stefanie Powers gucke. Bis später, Eure Eminenz unheiliger Finsternis.«

Als sich die Tür hinter Jim geschlossen hatte, schenkte ich Magoth meine volle Aufmerksamkeit. In den letzten sechs Wochen, in denen Magoth bei Gabriel und mir gewohnt hatte, hatten wir festgestellt, dass der Dämonenlord nur einen winzigen Bruchteil seiner Kräfte wiedererlangt hatte, aber man wird nicht Fürst von Abaddon, ohne ein paar Tricks aufzuschnappen.

»Du weißt, dass der Keller und der gesamte untere Bereich tabu sind, bis die Arbeiter fertig sind, Magoth. Wir haben es dir ausführlich erklärt, als sie begonnen haben, die Schatzkammer zu bauen.«

Er blickte mich schmollend an. »Wie die Sterblichen sagen, du bist nicht mein Boss.«

»Vielleicht nicht, aber du bist hier nur geduldet, eine Tatsache, die ich dir anscheinend immer wieder ins Gedächtnis rufen muss. Wenn du Gabriel irritierst, indem du dir gewaltsam Zutritt zu seiner Schatzkammer verschaffst, wird er dich auf die Straße setzen.«

Er trat hinter den Schreibtisch, an dem ich saß, und fuhr mit dem Finger meinen Arm hinauf. Ich bekam beinahe eine Gänsehaut. Seine Berührung war so kalt, dass der Luft um mich herum alle Wärme entzogen wurde. »Ah, aber du würdest doch deinem schuppigen Freund nicht erlauben, das zu tun, oder, meine süße, süße May?« Er hauchte mir einen kalten Kuss auf meinen Nacken. Ich ballte die Fäuste, dass meine Handflächen schmerzten. Auch ohne hinzusehen wusste ich, dass sich meine Finger in lange, scharlachrote Krallen verwandelt hatten. Das Stück Drachenherz löste verlockende Visionen in mir aus, und ich sah Magoth tot auf dem Boden zu meinen Füßen liegen.

Beinahe hätte ich dem Drachenherz nachgegeben, aber ich rief mir ins Gedächtnis, dass es für mich kein Zurück mehr gab, wenn ich mich erst einmal darauf eingelassen hatte. Und so sehr ich Gabriel liebte, so glücklich ich war, die Gefährtin eines mächtigen - und witzigen, weltgewandten und unglaublich sexy - Wyvern zu sein, so wollte ich doch nicht den Rest der Ewigkeit als Drache verbringen.

»Man hat dich gewarnt, mich zu berühren«, sagte ich so neutral wie möglich. Das Stück Drachenherz kämpfte darum, mich zu beherrschen, aber ich hatte nicht umsonst über hundert Jahre als Magoths Sklavin überlebt. Ich hatte gelernt, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.

Sein kalter Atem glitt über meinen Hals, aber dann siegte seine Klugheit. Er schob meinen Laptop beiseite und legte sich lasziv auf den Schreibtisch. »Du willst mich doch auch.«

»Ich will Gabriel«, erwiderte ich. Erneut drohte das Stück Drachenherz mich zu überwältigen.

Er lächelte verführerisch. »Dein Drache mag ja deine Doppelgänger-Bedürfnisse befriedigen, aber das Tier in dir will mich, süße May. Ich kann es spüren.«

»Ich bin kein Tier«, erwiderte ich grob. Ich räusperte mich. Ich würde mich von ihm nicht reizen lassen.

Er beugte sich leicht vor, die Augen halb geschlossen. Ich kannte die Zeichen - schließlich war ich oft genug das Opfer seiner Verführungsversuche gewesen. Wenn ich ihn eine Weile gewähren ließ, dann konnte ich ihn vielleicht mit irgendeiner interessanten Kleinigkeit ablenken. Magoth liebte glänzende Dinge, ob er sie anfassen konnte oder nicht.

»Sag mir nicht, dass du es nicht auch fühlst«, sagte er und blickte mich an. Er hatte nicht genug Macht, um mich mit einem Zauber zu belegen, deshalb dachte ich mir am besten irgendein interessantes Konversationsthema aus.

Zu meiner Überraschung und meinem äußersten Entsetzen jedoch beugte ich mich ebenfalls vor, bis meine Lippen seine berührten. Das Drachenherz überschwemmte mich mit Emotionen, heiß und fremd, und plötzlich verspürte ich ein brennendes Verlangen, mich mit ihm zu paaren.

»Nein«, keuchte ich entsetzt und wich zurück. Nicht einmal, seit ich Gabriel kennen gelernt hatte, war ich Magoth anders als mit Hass und Abscheu begegnet. Was war nur auf einmal los mit mir?

Mental rief ich ein Bild des Mannes ab, den ich von ganzem Herzen liebte, dachte an seine warme, milchkaffeebraune Haut, an die Grübchen, die mir die Knie weich werden ließen, die silbernen Sprenkel in seinen Augen, das Feuer, das nur er in mir entzündete. Ich brannte für ihn. Nur für ihn. Rasch trat ich die winzige Flamme aus, die auf dem Boden emporzüngelte.

»Siehst du? Das Tier in dir sagt ja, meine Süße. Gib ihm nach. Ich will dir zeigen, welch köstliche Lust ich dir bereiten kann.«

Ich musste mich zwingen, mich zu erheben. »Es ist kein Tier. Es ist ein Fünftel des Drachenherzens, und es beherrscht mich nicht. Du kannst ruhig aufhören, mich zu verführen, weil es sowieso nicht funktioniert. Und muss ich dich daran erinnern, was Gabriel dir angedroht hat, als er dich letztes Mal dabei erwischt hat, wie du Liebe mit mir machen wolltest?«

»Ich mache keine Liebe. Ich mache Ekstase«, antwortete er, aber seine Hand fuhr unwillkürlich schützend vor seinen Schritt. »Du kannst protestieren, so viel du willst, meine Anbetungswürdige, die Tatsache bleibt bestehen, dass wir beide wissen, die Flitterwochen mit deinem Drachen sind vorbei, und ich bin es, den du wirklich willst.« Er glitt vom Schreibtisch und trat auf mich zu.

»Hör auf, einen Blick in Gabriels Schatzkammer werfen zu wollen, hör auf, Maata zu belästigen, und hör auf, mich verführen zu wollen«, sagte ich und wich zur Tür zurück. Ich riss sie auf und rannte hinaus, bevor er mir antworten konnte, aber sein spöttisches Gelächter folgte mir, als ich den Flur entlang zur Treppe lief, die in den Keller führte.

Maata saß auf einem Stuhl unten an der Treppe und las ein Buch. Sie blickte auf und zog die Augenbrauen hoch, als sie mein gerötetes Gesicht sah. Da ich normalerweise ruhig und beherrscht war, war ihr wohl klar, dass das Drachenherz mich wahnsinnig machte.

»Wo ist er?«, fragte ich.

Sie wusste genau, wen ich meinte. »Er überprüft das Schloss. Sie haben die Tür eingebaut.«

»Danke.« Rasch lief ich zu dem Loch im Betonboden und stieg die Metallleiter herunter, die auf den felsigen Untergrund führte. Lampen hingen trunken von der Decke, und ein dumpfer, modriger Geruch lag in der Luft. Das war nicht weiter überraschend, wenn man bedachte, dass die Arbeiter dieses unterirdische Gewölbe erst im vergangenen Monat ausgehoben hatten. Eine Reihe von grabähnlichen Gängen endete in einem großen Raum, in dem Gabriel seine größten Schätze aufbewahren wollte.

Zwei Wachen erschienen, als ich die letzten Meter zum Boden von der Leiter sprang. Lächelnd grüßten sie, als ich vorbeilief, ebenso wie drei weitere silberne Drachen, die gerade Kisten auspackten.

Was sie so amüsierte, war meine unziemliche Hast, das war mir klar. Aber es war mir egal. Dass ich das Stück Drachenherz nicht kontrollieren konnte, mochte Gabriels Leute - die jetzt auch meine waren - ja erheitern, aber sie verstanden mich auch.

Eine weitere Metallleiter führte zu einem noch tieferen Level, und dann lag der Eingang zur Schatzkammer vor mir. Die Tür war aus Metall, so wie in den Tresorräumen großer Banken, schwer und dick, durch Explosionen oder Werkzeug nicht zu zerstören. Drei Hightech-Schlösser und ein Netzhaut-Scanner hielten selbst die geschicktesten Tresorknacker in Schach. Später würden noch Zauber in die Tür eingearbeitet werden, um den Raum auch vor den Mächten zu schützen, die über die Fähigkeiten der sterblichen Welt hinausgingen.

Ich blieb stehen, als ich nur einen Drachen vor der Tür sah.

»Gabriel?«, fragte ich Tipene, den zweiten Bodyguard von Gabriel.

Erwies mit dem Kopf auf die Tür. »Sie überprüfen die Alarmanlage.«

Ich überlegte, ob ich die zehn Minuten warten sollte, bis Gabriel und die Sicherheitsexperten wieder auftauchten, aber ich wusste die Antwort eigentlich schon. Rasch trat ich direkt vor die Tür, die Augen auf das Schloss gerichtet.

Tipene sah mir interessiert zu, als ich die Hände ausschüttelte und verzweifelt versuchte, den Kopf klar zu bekommen, damit ich mit dem Schloss »reden« konnte.

»Ich habe nie verstanden, warum Doppelgänger das können«, sagte er, als ich meine Hände auf das Schloss legte und die Augen zumachte, um mich besser konzentrieren zu können.

»Das weiß ich auch nicht. Ich bin nur dankbar, dass ich es kann.«

»Ich glaube nicht, dass du Glück hast. Das ist ein MacGyver 512-Titaniumcarbon-magnetisch-elektronisches Schloss, äußerst präzise eingestellt. Es ist so hochmodern, dass es noch nicht einmal auf dem Markt ist. Ich weiß, dass du meisten Schlösser öffnen kannst, aber dieses hier wirst selbst du nicht aufbekommen, May.«

»Wir werden sehen.« Ich überredete das Schloss, mir ein paar Geheimnisse preiszugeben. Mit Interesse stellte ich fest, wie raffiniert und gut es gebaut war. Die meisten Schlösser leisten nur wenig Widerstand, bevor sie sich für mich öffnen, aber dieses hier war anders. Es reagierte nicht auf die übliche Überredung, so dass ich zu brutaler Kraft greifen musste. Während ich mich durch die zahlreichen Level des Schlosses arbeitete, notierte ich mir im Geiste, Gabriel zu sagen, dass zu viel Design manchmal eher schadete. Schließlich erlag der letzte Bolzen meiner Willenskraft, und ich lächelte dem verblüfften Tipene zu, als ich die Tür aufriss.

»Wie ...?«, setzte er an, aber ich wartete das Ende der Frage nicht ab.

Die drei Männer, die sich im Gewölbe über ein Clipboard beugten, fuhren herum, als sich die Tür öffnete.

»Vögelchen!« Gabriels Stimme und seine Arme, die sich um mich schlangen, gaben mir das Gefühl, nach einer langen Reise nach Hause gekommen zu sein. Ohne mich um die Drachenetikette zu kümmern, küsste ich ihn. Ich brauchte die Sicherheit, die nur er mir geben konnte.

»Ich glaube es nicht«, sagte einer der beiden Männer, als ich meine Finger in Gabriels weiche Dreadlocks grub. »Sie kann unmöglich dieses Schloss geöffnet haben. Das ist einfach unmöglich. Niemand kann diese Tür öffnen. Vielleicht haben wir sie nicht richtig verschlossen ...«

»Feuer«, flüsterte ich in Gabriels Mund. Sein Drachenfeuer wirbelte durch mich hindurch und setzte mich in Flammen.

»Sie war verschlossen«, sagte der zweite Mann. »Und die Tatsache, dass die Gefährtin des silbernen Drachen hier ist, zeigt ja wohl allzu deutlich, dass das Schloss keineswegs so unmöglich zu überwinden ist, wie dein Unternehmen behauptet. Und das ist ja meine Rede - die beste Alarmanlage der Welt taugt nichts, solange man die Tür so leicht aufbrechen kann.«

»Meine Schlösser kann man nicht leicht aufbrechen«, knurrte der erste Mann. »Da stimmt doch etwas nicht.«

»Was ist los?«, fragte Gabriel und löste sich von mir.

»Wir müssen Magoth loswerden.« Mehr wollte ich vor den Männern nicht sagen. Gabriel hatte sie zwar mit dem Bau seiner Schatzkammer beauftragt, aber keiner von ihnen war ein Drache, und ich war mir nicht sicher, wie weit er ihnen vertraute.

»Hey, May, ich wollte dir nur sagen, dass Magoth deine Brieftasche gefunden hat und schon wieder mit deiner MasterCard in der Hand am Telefon hängt. Hey, Gabe, alles klar? Oh! Schöne Schatzkammer! Ist das da ein MacGyver 512? Drake hat auch eins bestellt.« Jim trat um die beiden Sicherheitsexperten herum und warf einen interessierten Blick auf die Arbeiten.

»Ja, István hat ihn vor ein paar Tagen hier abgeladen«, erklärte ich Gabriel, der mir einen überraschten Blick zuwarf. »Da Aislings Geburtstermin bereits verstrichen ist, findet Drake anscheinend, dass sich alle wohler fühlen würden, ohne dass Jim ständig Bemerkungen darüber macht, sie sähe aus wie ein überreifer Pfirsich, der jeden Moment platzt.«

»Ich habe nicht Pfirsich, sondern ›Pickel‹ gesagt, aber Drake hat gedroht, mich zu Hackfleisch zu verarbeiten, wenn ich ihm nicht aus den Augen ginge«, erwiderte Jim nonchalant. »Aber es ist alles gut. Solange Ash damit beschäftigt ist, das Baby herauszudrücken, hat sie May zu meiner Chefin gemacht, und May liebt mich. Stimmt's, May?«

Gabriels Quecksilber-Augen blitzten auf. »Was hat Magoth denn jetzt schon wieder gemacht?«

»Wir müssen ihn einfach loswerden«, sagte ich leise. Hoffentlich verstand er die Botschaft in meinen Augen. »Auf der Stelle.«

»Stimmt doch, May«, beharrte Jim. »Du liebst mich, oder? Ich bin dein Liebling!«

Gabriel musterte mich prüfend. »Hat er dich angefasst?«

Seufzend hob ich die Hand. Statt aus meinen normalen, sommersprossigen Fingern bestand sie aus langen, eleganten Silberfingern mit scharlachroten Krallen. »Das Stück Drachenherz funktioniert nicht richtig. Es scheint durcheinander zu sein. Und je eher Magoth weg ist, desto schneller kann ich es richten.«

»Wer ist dein Daddy? Genau, der unglaublich gut aussehende und auf pelzige Weise männliche Jim! Ich gehöre ganz dir, meine Süße, und bin von Ash autorisiert, dir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, vor allem wenn du mir Futter geben und mir den Bauch kraulen möchtest.«

»Du meinst doch nicht...« Gabriels Augen weiteten sich.

Ich nickte.

»Ich bringe ihn um.«

Er sagte die Worte leise und mit seiner normalen, samtweichen Stimme, aber die Bedrohung, die darunter lag, war so spürbar, dass mir das Blut in den Adern gefror.

»He! Ich wollte dich nicht beleidigen!« Erschrocken wich Jim zurück. »Wenn May mich nicht am Bauch kraulen soll, dann macht es eben jemand anderer. Aber wenn ich dir einen Rat geben kann, Gabe: Vielleicht solltest du mal über koffeinfreien Kaffee nachdenken.«

»Das kannst du nicht«, sagte ich traurig. Das Stück Drachenherz blieb ruhig und gab sich zufrieden damit, mal wieder alles aufgewühlt zu haben. »Er ist immer noch unsterblich, und vielleicht haben wir ja Gelegenheit, ihn wieder in Abaddon abzuladen.«

Eine kleine Rauchwolke drang aus Gabriels Nase. Ich gab ihm rasch einen kleinen Kuss und knabberte an seiner Lippe.

»Oh ja, davon rede ich doch die ganze Zeit«, sagte Jim vom Fuß der Metallleiter her.

Ich warf dem Dämon einen finsteren Blick zu. »Verschwinde!«

»Ich wollte doch nur ... «

»Verschwinde!«, befahl ich ihm erneut. »Sag Magoth, wenn er noch einmal etwas aus diesem teuren Sexshop bestellt, dann schiebe ich ihm seinen dreißig Zentimeter langen, mit Stacheln besetzten Dildo dorthin, wo die Sonne niemals scheint.«

Jim warf mir einen verletzten Blick zu, bevor er meinem Befehl gehorchte. »Und ich dachte, bei dir wäre es lustiger. Du warst in der letzten Zeit viel zu oft mit Aisling zusammen, wirklich!«

»Komm hier herein«, sagte Gabriel und zog mich tiefer in die Kühle der halbfertigen Schatzkammer. Um magische Angriffe abzuwehren, waren ihre Wände mit Stahl und Eisen verstärkt, und sie wirkte wie ein kleiner Weinkeller mit ihren langen, glänzenden Regalen, die darauf warteten, mit Gabriels Schätzen gefüllt zu werden, die er in England aufbewahrte. »Bist du sicher, Vögelchen? Du hast nicht an mich gedacht, und das Stück Drachenherz hat so reagiert?«

Lächelnd küsste ich ihn auf die Nasenspitze. »Mir gefällt der Gedanke, dass du nicht einen Augenblick lang denkst, ich könnte Magoth anziehend finden.«

...

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