Der Spiegel 2008 23.pdf

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DAS DEUTSCHE NACHRICHTEN-MAGAZIN
Hausmitteilung
2. Juni 2008
Betr.: Titel, Genetik, Architektur
D ie Affäre, die SPIEGEL-Redakteur Beat Balzli, 42, vorige Woche mit Kollegen
aufdeckte, ist geeignet, das Ansehen der Deutschen Telekom im In- wie auch im
Ausland nachhaltig zu beschädigen: „Telefon-Gigant entfacht Aufruhr“ war auf der ers-
ten Seite der „New York Times“ zu lesen, von einem „Spionage-Skandal“ schrieb die
Pariser „Le Monde“. Auch in dieser Woche berichten Balzli, die Redakteure Frank
Dohmen, 45, Klaus-Peter Kerbusk, 60, und weitere SPIEGEL-
Leute über den Skandal. Sie recherchierten neue Details über
das gestörte Verhältnis zum Post- und Fernmeldegeheimnis, das
die Berliner Sicherheitsfirma Network und Telekom-Obere
offenbarten, als sie die Ausforschung von Kontakten zwischen
Managern des Unternehmens und Journalisten betrieben. Die
Umstände waren mitunter bizarr: Dohmen sprach vorigen
Donnerstag in der Bonner Telekom-Zentrale mit Vorstands-
chef René Obermann, 45, in einem Konferenzraum und wur-
de durch die offene Tür Zeuge hektischen Treibens: Auf der
anderen Seite des Flurs sichteten Staatsanwälte bei einer Haus-
durchsuchung Computer und Akten. „Den Managern war der
Schock anzusehen“, sagt Dohmen. Am Tag davor hatte Balzli
sich in Berlin drei Stunden lang mit Network-Chef Ralph Kühn, 52, getroffen. Der
Mann, so Balzli, „wirkte gehetzt und unsortiert“ und kam wiederholt auf seine
angeblich angeschlagene Gesundheit zu sprechen. Skurril wurde die Begegnung, als
Kühn zum Beweis plötzlich sein Polohemd hochriss und Balzli eine furchteinflößende
Operationsnarbe zeigte, die vom Brustbein bis zum Bauchende reicht (Seite 20).
Balzli
N euerdings weiß SPIEGEL-Redakteur Marco Evers, 41, weit mehr über sich als
die meisten Menschen. So hat er erfahren, dass er weder gegen das Aids-Virus
noch gegen Malaria immun ist, dass seine Prostata ihm dereinst Schwierigkeiten
machen könnte, dass sein Kopf aber recht lange noch Haare tragen wird. Evers war
nicht beim Wahrsager, sondern im Labor: Im Selbstversuch hat er sein Erbgut von
einer jungen kalifornischen Gentestfirma auf Stärken und Schwächen analysieren
lassen. Das Ergebnis erwartete er nicht furchtlos. Doch dann gab es Entwarnung:
Er sei, sagt Evers, „totaler europäischer Durchschnitt“. Die Macht der Gene werde
grob überschätzt, „die Aussagekraft eines solchen Gentests für das eigene Schicksal
allerdings noch mehr“ (Seite 154).
W ohnriesen in Lilienform oder moderne Pyramiden, die sich 450 Meter hoch in den
Himmel erheben: Kühn und bisweilen protzig etabliert sich in Städten wie Mos-
kau, Peking, Shanghai und Dubai die neue Ästhetik des östlichen Wirtschaftswunders.
Die Schöpfer dieser neuen Hochhaus-Architektur residieren im Abendland, wo es für
sie zunehmend schwierig wird, prestigeträchtige Großaufträge zu erhalten. Auf drei
Kontinenten haben die SPIEGEL-Re-
dakteure Frank Hornig, 38, Korrespon-
dent in New York, Ulrike Knöfel, 39,
Kulturredakteurin in Hamburg, und
Bernhard Zand, 40, Nahostkorrespon-
dent mit Sitz in Dubai, festgehalten, wie
im Städtebau eine neue Weltordnung
entsteht. Der Westen hat gegenüber den
östlichen Boom-Staaten das Nachsehen,
doch er könne, so Knöfel, „sich vor
allem in Europa mit einem gewissen
historischen Flair trösten“ (Seite 162).
Zand (in Dubai)
Knöfel
3
Im Internet: www.spiegel.de
der spiegel
23/2008
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In diesem Heft
Titel
Deutsche Telekom – Psychogramm eines
paranoiden Konzerns ............................................ 20
Deutschland
Panorama: Berlin weicht Konflikt mit den USA
um Streubomben aus / Ypsilanti gegen
Neuwahlen in Hessen / Neuer Einbürgerungstest
verzichtet auf Gewissensfragen ............................. 15
Umweltpolitik: Kanzlerin Angela Merkel
scheitert mit ihren Klimaplänen ............................ 36
Bundespräsident: SPIEGEL-Gespräch mit der
SPD-Kandidatin Gesine Schwan über Amtsinhaber
Horst Köhler und warum sie sich mit den
Stimmen der Linkspartei wählen lassen würde ..... 40
Karrieren: SPD-Parteivize Andrea Nahles
baut ihren Einfluss systematisch aus ..................... 44
SPD: Interview mit Berlins Regierendem
Bürgermeister Klaus Wowereit über
das zwiespältige Verhältnis zur Linken .................. 47
Linkspartei: Spitzenpolitiker Gregor Gysi wird
erneut von seiner Vergangenheit eingeholt ........... 48
Die Aktenspur zu IM „Notar“ .............................. 49
Extremismus: Der Schwarze Block
der Neonazis ......................................................... 52
Wiedergutmachung: Kritik an den Millionen-
geschäften der Jewish Claims Conference ............. 54
Strafjustiz: Eine Ärztin ist wegen Totschlags
an Patienten angeklagt – auf dem Gericht lastet
der Verdacht der Befangenheit .............................. 58
Kriminalität: Jugendliche Hacker stoßen in
Sicherheitslücken von Behörden und Firmen vor ... 60
Serie
Die Zukunft der Demokratie (V):
Autokratische Regime auf dem Vormarsch – hat
das westliche Freiheitsmodell abgewirtschaftet? .... 62
Gesellschaft
Szene: Bildband über kubanische
Revolutionsromantik / Digitale Bürgerwehr
im Internet ............................................................ 73
Eine Meldung und ihre Geschichte – über einen
Unternehmer, der keinen Zivildienst leisten will ... 74
Glücksspiel: Die deutsche Pokerweltmeisterin
Katja Thater und ihre Jagd auf kleine Fische ........ 76
Ortstermin: In München kümmert sich
ein Lobbyist um die Sorgen der Millionäre ........... 82
Wirtschaft
Trends: Postenpoker bei EADS / Doppeltes
Gehalt für KfW-Chef /
Arbeitsmarktprogramme floppen .......................... 84
Landwirtschaft: Die Milchbauern fordern
Molkereien und Discounter heraus ....................... 86
Finanzpolitik: Unsolide und ungerecht –
das Abgabenkonzept der SPD ............................... 88
Autoindustrie: VW bremst Porsche aus ............... 90
Unternehmer: Milde Strafe für
Steuersünder Reinhold Würth ............................... 92
Konzerne: Die Erben des Firmengründers
Rockefeller attackieren den Ölmulti ExxonMobil .... 94
Gesundheit: Wie der Chefberater des
staatlichen Arzneimittel-TÜVs sein Wissen an
die Pharmaindustrie verkauft ................................ 95
Zeitgeschichte: Friedrich Flicks Rolle
als Kriegsprofiteur im Dritten Reich ...................... 96
Medien
Trends: Ist die Media-Markt-Werbung rassistisch? /
ZDF will für Champions League bieten ................ 99
Fernsehen: Vorschau / Rückblick ........................ 100
Presse: Wie Alice Schwarzer ihre Nachfolgerin
bei „Emma“ vergraulte......................................... 102
Buchmarkt: Der Aufbau-Verlag gibt auf –
und macht weiter ................................................. 104
Präsidentin mit links
Seite 40
Die Programmatik der Linken
nennt sie „völlig unzureichend“,
Parteichef Oskar Lafontaine ei-
nen „Demagogen“ – doch für ih-
ren Einzug ins Schloss Bellevue
will Gesine Schwan, SPD-Kandi-
datin für das Bundespräsidenten-
amt, auch um Stimmen von ganz
links werben. „Die Integration
der Linken ist wichtig für unsere
Demokratie“, sagt sie im SPIE-
GEL-Gespräch. „Ich rede mit
allen, die mich einladen.“
Schwan
Opfer-Organisation im Zwielicht
Seite 54
Die jüdische Claims Conference hat
mit der Rückübertragung von Immo-
bilien, die Juden in Ostdeutschland
von den Nazis geraubt wurden, rund
1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Doch nicht alle Gelder kamen bisher
bei Holocaust-Überlebenden an. Die
Kritik an der mächtigen Organisation
wächst auch in Israel.
Holocaust-Überlebende (in Jerusalem)
Machtkampf um die Milch Seite 86
In Deutschland wird die Milch knapp. Seit vergangener Woche liefern viele Land-
wirte aus Protest gegen die ruinösen Preise keine Milch mehr ab. Angeführt wird
der Boykott vom kleinen Verband der Milchbauern. Der fordert mit dem Streik nicht
nur die Industrie, sondern auch den mächtigen Bauernverband heraus.
Pokern mit den Haien
Seite 76
Inzwischen versuchen mehr
als eine Million Deutsche ihr
Glück am Pokertisch. Welt-
meisterin Katja Thater zieht
von Turnier zu Turnier, um den
kleinen Fischen das Geld abzu-
nehmen. Profis wie sie werden
Haie genannt, sie leben von der
Illusion der vielen, spielend
reich werden zu können. In Las
Vegas versammeln sich die Haie
nun zur Weltmeisterschaft.
Thater
4
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Ausland
Panorama: Maoistenführer Prachanda über
das Ende der Monarchie in Nepal / Eine Jüdin
wird Botschafterin Bahreins in Washington ......... 106
Ozeane: Die Küstenstaaten konkurrieren
um Bodenschätze unter dem Meeresgrund .......... 108
USA: Der republikanische Senator
Chuck Hagel über die gescheiterte Außenpolitik
von Präsident George W. Bush ............................ 112
Nahost: BND-Agent vermittelt zwischen
Israel und der Hisbollah ....................................... 116
Sekten: Die missbrauchten Mormonenkinder
von Eldorado ....................................................... 120
Kolumbien: Wie Venezuelas Staatschef Hugo
Chávez mit den Urwald-Terroristen paktiert ........ 124
Afghanistan: SPIEGEL-Gespräch mit Präsident
Hamid Karzai über die wachsende Kritik
an seiner Regierung und die schmutzigen
Geschäfte mit den Warlords ................................. 126
Global Village: Ein Schotte stellt sich dem
Bauspekulanten Donald Trump in den Weg ........ 130
Sport
Szene: Gerichtsstreit des Bayern-Stars
Franck Ribéry mit seinem damaligen Berater /
Formel-1-Rennstallbesitzer Gerhard Berger
über den Fall Mosley ........................................... 133
Euro 2008: Experten erwarten
Offensiv-Fußball .................................................. 134
Christiano Ronaldo – Portugals
schwieriges Genie ................................................ 137
Schriftsteller Orhan Pamuk über türkischen
Fußball und Nationalismus .................................. 140
Wissenschaft · Technik
Prisma: Liste der größten Weltprobleme /
Zigaretten mit Erdbeer-
und Schokoladengeschmack ................................ 145
Medizin: Die seelischen Leiden
übergewichtiger Kinder ....................................... 148
Archäologie: War Stonehenge ein Friedhof
für Steinzeitkönige? ............................................. 151
Bücher: Die erstaunliche Kulturgeschichte
des Zahnstochers ................................................. 152
Genetik: Der Blick ins eigene
Erbgut – ein Selbstversuch .................................. 154
Automobile: Fiat baut Winzlinge
mit Riesenmotor .................................................. 156
Kultur
Szene: „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche
auch im Ausland gefragt / Frankreich
debattiert die These, Paris sei nach 1940 ein
„Freudenhaus“ der Nazis gewesen ...................... 159
Städtebau: Der Wolkenkratzer-Glamour wandert
von Westen in den Nahen und den Fernen Osten ... 162
Intellektuelle: Denker wie Sartre und Foucault
werden als Schreibtischtäter attackiert ................ 166
Bestseller .......................................................... 169
Unterhaltung: Ein neuer James-Bond-Roman –
nach, nicht von Ian Fleming ................................ 170
Anthropologie: Wie der Pädagoge
Arno Stern die bildnerische Ursprache der
Menschheit rekonstruiert ..................................... 172
Nahaufnahme: Wien feiert den
Gedächtnistrainer Eric Kandel mit einer
Filmreise durch sein Gehirn ................................. 176
Ölplattform im Nordmeer
Schätze auf dem Meeresgrund
Seite 108
Die Küstenstaaten wollen ihre Hoheitszonen immer weiter ausdehnen, weil unter
dem Meeresgrund riesige Rohstoffmengen lagern. Die Uno soll über die Anträge ent-
scheiden, etwa für die Region um den Nordpol. Noch aber streiten sich die Natio-
nen. Experten erwarten in Zukunft Militärkonflikte um die Schätze in der Tiefe.
Das gefühlte Übergewicht der Kinder Seite 148
Stress durch Schlankheitswahn: Kinder und Jugendliche leiden seelisch stärker un-
ter gefühltem Übergewicht als unter ihrem tatsächlichen. Fettleibige dagegen, die sich
nur für ein bisschen zu dick halten, haben eine deutlich höhere Lebensqualität.
Viel Tempo, viele Tore
Seiten 134, 137, 140
Zu Beginn der Fußball-
Europameisterschaft er-
warten Experten tor- und
temporeiche Spiele, auch vom deutschen
Team unter Trainer Joachim Löw. Außerdem
im Sonderteil zur Euro 2008: ein Porträt des
portugiesischen Superstars Ronaldo und ein
Interview mit dem türkischen Schriftsteller
und Fußballfan Orhan Pamuk.
Löw, Auswechselspieler
Gemalte Ursprache Seite 172
Seit über 60 Jahren betreut er an weltweit ver-
streuten „Mal-Orten“ Kinder, die in stillen Räu-
men zeichnen, wonach ihnen zumute ist: Arno
Stern, der Pariser Pädagoge und Abenteurer.
Frucht seiner Arbeit ist die frappierende Theorie
einer bildnerischen Ursprache der Menschheit.
Briefe ..................................................................... 6
Impressum, Leserservice ................................. 178
Register ............................................................. 180
Personalien ........................................................ 182
Hohlspiegel /Rückspiegel ................................ 184
„Mal-Ort“ in Paris
5
der spiegel
23/2008
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Briefe
scheint ungerecht gegenüber allen Paaren,
die auf natürlichem Wege Kinder zeugen
können. Paaren mit Kinderwunsch sollten
Türen geöffnet werden und nicht ver-
schlossen. Kinder sind eine Bereicherung
nicht nur für das Paar selbst, sondern für
unsere Gesellschaft insgesamt. Die Kosten
der Kinderwunschbehandlung fallen ge-
genüber Kosten für die Behandlung von
Volkskrankheiten wie Fettleibigkeit in Fol-
ge von Bewegungsmangel und falscher
Ernährung denkbar gering aus.
Mannheim (Bad.-Württ.) Catrin Schramm
SPIEGEL ONLINE Forum
„,Tausendmal‘ ist manchmal
eben nicht genug, vor allem dann,
wenn man eine Sache mit viel
Liebe macht. Bei uns hat es erst
nach sechs Jahren geklappt.
Wobei der Weg das Ziel war.“
Yevgeniya und Peter Loschinski aus Köln zum Titel
„Tausendmal probiert … und nie ist was passiert –
Das Geschäft mit der Sehnsucht nach dem Kind“
SPIEGEL-Titel 22/2008
Es hungern heute schon Millionen Men-
schen, das Klima verändert sich, das Öl
geht dem Ende zu und damit die motori-
sierte Landwirtschaft, die Konflikte enden
nicht mehr, und täglich gehen mehrere Ar-
ten unter wie im vorigen SPIEGEL be-
schrieben. Und da sehnt man sich nach
Kindern – völlig absurd!
Helsingborg (Schweden)
einfach nicht ernst genommen in dieser
Problematik – die Lösung liegt ja für viele
Außenstehende auf der Hand: erst alles
probieren, dann adoptieren. Und wenn
man dann noch ein Haustier hat, wird man
gefragt, ob dies jetzt der Ersatz für eigene
Kinder sei, als ob es so etwas gäbe. Eigene
Kinder können nicht ersetzt werden, es ist
Ein individuelles Drama
Nr. 22/2008, Titel: Tausendmal probiert … und nie ist was
passiert – Das Geschäft mit der Sehnsucht nach dem Kind
Jedem Paar sollte die aktuelle medizini-
sche Hilfe offenstehen. Eine Begrenzung
der Anzahl aufwendiger Behandlungen
(IVF) ist angesichts der Kosten für die Kas-
sen jedoch sinnvoll. Im Gesundheitswesen
gibt es auch an anderer Stelle Budgetie-
rungen.
Fichtenberg (Bad.-Württ.) Ute Schütt
SPIEGEL ONLINE Forum
Frank Wiederkehr
Viele Leute müssen auf vieles verzichten,
wenn niemand helfen kann. Der Kinder-
wunsch kann so stark sein, wie er will. Ver-
suche, ihn zu erfüllen, sind aller Anstren-
gung wert. Wenn es aber gar nicht geht,
kommt der Zeitpunkt des Verzichts. Mit
der richtigen Einstellung zum unerfüllten
Wunsch ist ein erfülltes Leben mit dem
Partner möglich.
Köln
Nach jahrelangen vergeblichen Versuchen,
schwanger zu werden, unzähligen Unter-
suchungen und einem mehrtägigen Kran-
kenhausaufenthalt riet meine Gynäkologin
uns nach mehreren ausführlichen Ge-
sprächen zur Icsi-Methode. Wir hatten
Glück, es klappte beim ersten Mal. Die
ungetrübte und unbeschwerte Schwanger-
schaft endete jäh, als unsere Tochter 2002
drei Wochen vor der geplanten Geburt
starb. Nach einigen Monaten versuchten
wir es erneut. Drei weitere Icsi-Versuche
scheiterten. So mussten wir nicht nur den
Tod unserer Tochter betrauern, sondern
uns auch damit abfinden, niemals eigene
Kinder zu bekommen. Zu den erheblichen
seelischen und auch finanziellen Belas-
tungen kommt die gesellschaftliche Äch-
tung hinzu. Nach den Folgen der seeli-
schen und gesundheitlichen Qualen der
Betroffenen fragt keiner. Wir hatten
Glück. Unsere Ehe ist nicht daran zerbro-
chen, mein Mann und ich lieben uns heu-
te inniger denn je.
Glashütten (Hessen)
Veit Hennemann
So gemein es klingt, aber die Gesellschaft
ist für die Unfruchtbarkeit des Einzelnen
nicht verantwortlich, und ein Kind zu zeu-
gen ist nicht jedem vergönnt. Das kann un-
endlich traurig sein, ist aber ein individu-
elles Drama. Und nur, weil es im Ausland
für wenig Geld möglich ist, muss es doch
nicht richtig sein.
Hamburg
Fötus im Mutterleib
Ureigenes Interesse der Gesellschaft
Jane Isigkeit
nur möglich zu versuchen, seinem Leben
einen andern Sinn zu geben.
Dresden
Ich habe mit Mitte zwanzig erfahren, dass
ich keine Kinder bekommen werde. Nach
ausführlichen Informationen über Metho-
den der künstlichen Befruchtung habe ich
mich aus verschiedenen Gründen dagegen
entschieden. Die Kinderlosigkeit sollte
nicht zu meinem Lebensinhalt werden.
Diese Entscheidung musste ich ständig
rechtfertigen: „Du musst den Arzt wech-
seln“, „Da kann man doch etwas unter-
Lisette Lindh
Die Kasse sollte die Kosten der Behand-
lung voll tragen. Die Nachricht einer Un-
fruchtbarkeit ist Bürde genug. Paare, die
sich für die Behandlung entscheiden, erle-
ben während und vor der Behandlung star-
ke Belastungen. Dass die Kasse die Be-
handlung derzeit nur zur Hälfte zahlt, er-
Dunja Mangold
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• Titel Welche Konsequenzen müssen aus der
Bespitzelungsaffäre bei der Telekom gezogen werden?
www.spiegel.de/forum/Telekom
• Sport Kann Deutschland Europameister werden?
www.spiegel.de/forum/Europameisterschaft
• Energie Schaden die Energiepreise der Konjunktur?
www.spiegel.de/forum/Energie
Die Zeugung von Nachwuchs ist keine Pri-
vatsache, sondern ureigenes Interesse jeder
gesellschaftlichen Ordnung. Angesichts der
sinkenden Bevölkerungszahl in Deutsch-
land wird eine Zeit kommen, in der Zeu-
gungs- und Gebärwilligen Prämien für ihre
„Dienstleistung“ gezahlt werden.
Hagen (Nrdrh.-Westf.)
Klaus-Peter Kniffka
Mein Mann und ich gehören auch zu den
Betroffenen. Wir fühlen uns manchmal
6
der spiegel
23/2008
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Zgłoś jeśli naruszono regulamin