Tom Sharpe - Lauter Irre.pdf

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Für die Ärzte in Catalunya:
Montse Figuerola, Francesc Xavier
Planellas, Pere Sola, Montserrat Verdaguer,
die mir 2006 das Leben gerettet haben.
Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel
»The Gropes« bei Hutchinson, London.
Copyright © der Originalausgabe 2009 by Tom Sharpe
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
eISBN : 978-3-641-03862-5
www.goldmann-verlag.de
www.randomhouse.de
Tom Sharpe
Lauter Irre
Roman
Deutsch von
Marie Luise Bezzenberger
1
Es ist eine der verblüfenderen Tatsachen, dass es in England
auch heute noch Familien gibt, die in Häusern wohnen, die
ihre Vorfahren vor Jahrhunderten erbaut haben, auf Land, das
ihnen bereits vor der Zeit der normannischen Eroberungszüge
gehörte. Die Gropes aus Grope Hall sind eine solche Familie.
Sie sind weder reich noch adlig und haben auch niemals
den Neid ihrer mächtigeren oder einlussreicheren Nachbarn
erregt. Die Gropes haben sich vielmehr aus allem herausgehal-
ten und sich nie auch nur im Geringsten für Politik, Religion
oder irgendetwas anderes interessiert, was ihnen Ärger hätte
eintragen können. Stattdessen haben sie brav ihre Felder be-
stellt, die noch immer dieselben Namen tragen wie im 12. Jahr-
hundert. Es steckte keine gezielte Strategie dahinter. Im Gegen-
teil, meist geschah es aus Trägheit und in dem Bestreben, sich
nicht mit ehrgeiziger, tüchtiger Nachkommenschaft zu belas-
ten.
Die Gropes aus Grope Hall sind in der Grafschaft Northum-
berland zu Hause. Es heißt, sie können ihre Herkunft bis zu
einem dänischen Wikinger zurückverfolgen, einem gewissen
Awgard dem Bleichen, der auf der Überfahrt über die Nordsee
so seekrank gewesen war, dass er sich von seinem Stoßtrupp
absetzte, während dieser das Nonnenkloster zu Elnmouth
plünderte. Anstatt Nonnen zu schänden, wie es eigentlich von
ihm erwartet wurde, lieferte er sich auf Gedeih und Verderb
einer Dienstmagd aus, auf die er in der Backstube gestoßen
war. Diese versuchte gerade, sich darüber klar zu werden, ob
sie geschändet werden wollte oder nicht. Da sie nicht den min-
desten Liebreiz besaß und Wikingertrupps sie bereits zweimal
verschmäht hatten, war Ursula Grope hochbeglückt, von dem
stattlichen Awgard erwählt zu sein, und sie führte ihn fort von
der fürchterlichen Orgie in dem geplünderten Nonnenkloster,
in das abgelegene Tal von Mosedale, wo sie in einer Hütte aus
Grassoden das Licht der Welt erblickt hatte.
Die Rückkehr der Tochter, die er nie wiederzusehen gehoft
hatte – noch dazu in Begleitung des gewaltigen Awgard des
Bleichen –, hatte ihren Vater, einen einfachen Schweinehirten,
allerdings so verschreckt, dass er die wahren Absichten des Wi-
kingers lieber gar nicht erfahren wollte. Er gab Fersengeld, und
das Letzte, was man von ihm hörte, war, dass er in der Nähe
von York heiße Kastanien verkaufte. Nachdem sie Awgard vor
dem Grauen der Rückfahrt nach Dänemark bewahrt hatte, be-
stand Ursula darauf, dass er ihre Ehre als ungeschändete Non-
ne hochhielt und sie zur Frau nahm. So entstand angeblich das
Geschlecht der Gropes.
Awgard änderte seinen Namen und nannte sich fortan Gro-
pe, und seine mächtige Gestalt sowie seine düstere Schwer-
mut jagten den wenigen Bewohnern von Mosedale bald solche
Furcht ein, dass sie nach und nach das Weite suchten und Ur-
sula sich auf diese Weise Tausende von Morgen unbewohntes
Moorland aneignen und schließlich die Grope-Dynastie grün-
den konnte.
Während die Jahrhunderte ins Land gingen, bestärkten
die Familienlegende und die insteren Geheimnisse ihres Ur-
sprungs nachfolgende Generationen von Gropes darin, sich von
anderen abzusondern. Eigentlich hätten sie sich gar nicht be-
sonders zu bemühen brauchen. Der Hang zur Melancholie und
die Abneigung gegen das Reisen, die Awgard so sehr zu schaf-
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